Die Philharmonie Baden-Baden trauert um Prof. Werner Stiefel. Der langjährige Generalmusikdirektor der Philharmonie Baden-Baden ist am 18. November 2024 im Alter von 84 Jahren verstorben. Er leitete das Orchester von März 1981 bis Januar 2007.
In den 26 Jahren an der Spitze der Philharmonie profilierte er die Philharmonie Baden-Baden zu einem überregional und international anerkannten Sinfonieorchester. 1990 initiierte Werner Stiefel das erste gemeinsame Konzert mit Placido Domingo. Bis heute tritt der Star-Tenor regelmäßig mit der Philharmonie Baden-Baden auf. Auch José Carreras, Grace Bumbry, Igor Oistrach, Andrea Bocelli und Hermann Prey kamen in den 90er und frühen 2000er Jahren nach Baden-Baden, um gemeinsam mit der Philharmonie zu musizieren.
In Prof. Stiefels Amtszeit fallen die ersten internationalen Tourneen, nachdem das Orchester zuvor nahezu ausschließlich im heimischen Baden-Baden musiziert hatte. Unter anderem brachte Werner Stiefel die Philharmonie nach Jalta (1995), China (2001), Südfrankreich (2000 u. 2004), Dubai (2002), Italien (2003), die Schweiz (2003 Bizets Carmen im Züricher Hallenstadion, 2006 Verdis Nabucco im St. Jakob Stadion in Basel und ein Weihnachtsprogramm in Zürich, Luzern, Bern und Genf) und nach Belgien (2005). 2005 dirigierte Prof. Stiefel die ersten Rosenkonzerte, die im Rosenneuheitengartenauf dem Beutig bis heute sehr beliebt sind. Die Spendengala zur Unterstützung der jährlichen Aktion „BT-Leser bereiten Weihnachtsfreude“ fand erstmals im Jahr 2006 statt. Hinzu kommen Open-Air-Konzerte an den schönsten Plätzen Baden-Badens und zahlreiche CD- und Rundfunk-Produktionen, mit denen Werner Stiefel das Renommee seines Orchesters über 26 Jahre weiter entwickelte.
Durch die Aufnahme des Orchesters in den TVK (Tarifvertrag für die Musiker in Konzert- und Theaterorchestern) verbesserte sich unter seiner Leitung die tarifliche Situation seiner Musikerinnen und Musiker . Das Bemühen, sein Orchester in die höhere Eingruppierung zu befördern, wurde ihm bedauerlicherweise verwehrt, bildete allerdings das Fundament, diese existenziell notwendige Errungenschaft unter seinem Nachfolger zu erreichen.
Gleich zu Beginn seiner Zeit als Generalmusikdirektor gründete Prof. Stiefel die Carl Flesch Akademie. Seither gibt es jährlich die sommerlichen Meisterkurse, benannt nach Carl Flesch, dem renommierten ungarisch-jüdischen Violinisten, der von 1926 bis 1935 in Baden-Baden lebte. Seit 1982 kommen jährlich Professoren und Studierende aus aller Welt nach Baden-Baden. Im Jahr 1985 konnte die Carl Flesch Akademie erstmals für Studierende in allen vier Streichinstrumenten angeboten werden. Seither findet die Akademie jährlich für Violine, Viola, Violoncello und Kontrabass statt. In den 40 Jahren seit ihrer Gründung nahmen über 3.000 junge Musikerinnen und Musiker an den Meisterkursen der Carl Flesch Akademie teil. Allein im Orchester der Berliner Philharmoniker spielen heute rund 30 ehemalige Fleschis. Dem Gründervater der Akademie, Prof. Werner Stiefel, ist bis heute eine Auszeichnung der Carl Flesch Akademie gewidmet – der jährlich von der Patronatsgesellschaft gestiftete „Werner-Stiefel-Preis“. Der Preis ist zudem für eine junge Solistin oder einen jungen Solisten mit einem gemeinsamen Konzert mit der Philharmonie Baden-Baden verbunden. 1985 gelang es ihm, die Patronatsgesellschaft für Theater auch für die Philharmonie als Förderverein zu gewinnen, mit welcher eine zusätzliche Unterstützung und Förderung des Orchesters erreicht wurde.
Die Förderung und Ausbildung junger musikalischer Talente lag Werner Stiefel stets am Herzen. Neben der Carl Flesch Akademie begann Stiefel eine intensive Zusammenarbeit der Philharmonie Baden-Baden mit umliegenden Musikhochschulen, unter anderem mit der Musikhochschule in Karlsruhe, wo er seit 1989 als Dozent und seit 2003 als Professor unterrichtet hatte. Ein Schwerpunkt seines Wirkens für junge Sängerinnen und Sänger war die Opernakademie, die vor wenigen Tagen ihr 40 jähriges Bestehen feierte. Gemeinsam mit der Opernakademie Baden-Baden entstanden zahlreiche Inszenierungen, zu denen die Philharmonie Baden-Baden regelmäßig im Theater Baden-Baden musizierte. Nach der grundlegenden dreijährigen Renovierung des Theaters dirigierte Werner Stiefel 1992 zur feierlichen Wiedereröffnung die Oper Béatrice et Bénédikt von Hector Berlioz, dessen Werk bereits am 9. August 1862 im Theater in Baden-Baden seine Uraufführung gefeiert hatte.
Danach folgten Opern und Operetten wie „Die Hochzeit des Figaro“, „Die Entführung aus dem Serail“, „Cosi fan tutte“, „Don Pasquale“, „Rigoletto“, „Die Fledermaus“, „Der Barbier von Sevilla“, „Die verkaufte Braut“, „Die Zauberflöte“ und „Don Giovanni“, welche Werner Stiefel als szenische Aufführungen auf die Bühne brachte. Ebenso startete die Philharmonie unter seiner Leitung mit der Reihe der Kinderkonzerte, welche ihm ebenfalls sehr am Herzen lagen.
Nachdem ihn die Philharmonie Baden-Baden am 2. Juni 2007 in seinen wohlverdienten Ruhestand verabschiedet und ihn gleichzeitig zu ihrem Ehrendirigenten ernannt hatte, gab GMD Werner Stiefel seinen Taktstock an seinen designierten Nachfolger, Chefdirigent Pavel Baleff, weiter. Am 25. Dezember 2019 dirigierte Werner Stiefel im Alter von 79 Jahren zum letzten Mal die Philharmonie Baden-Baden im Rahmen des jährlichen Weihnachtskonzerts.
Respektvoll und dankbar schauen die Musikerinnen und Musiker zurück auf Prof. Werner Stiefels Lebenswerk und seinen unermüdlichen Einsatz für unsere Philharmonie Baden-Baden. Seine fast väterliche Art, bei uns als Ehrendirigent zu arbeiten, der Weitblick für das Große Ganze und sein enormes Fachwissen bilden die großen Erinnerungen, die im Geist unserer Philharmonie weiter verwurzelt bleiben. Trotz seiner mathematischen Denkweise, welche er durch sein Mathematikstudium besaß, war Werner Stiefel ein Mensch, der immer zuhörte und Problemen nicht aus dem Weg ging, einfach eine starke Persönlichkeit, die sich unseren Respekt erarbeitet und verdient hat – ein wandelndes musikalisches Lexikon und ein großer Stratege. Seine enorme Leidenschaft uns nach vorne zu bringen, war Grundlage für den qualitativen Aufstieg unseres Orchesters.
Die älteren Kollegen-innen werden sich immer an seine Worte erinnern, wenn er bei der Probe wieder und wieder von vorne anfing mit den Worten: „od początku “. Oder wenn er vor schwierigen Passagen zu sagen pflegte: „spielen Sie locker“…
Unser Mitgefühl gilt seiner Familie, besonders Frau Stiefel, zu der wir immer einen engen persönlichen Kontakt pflegten und welche ihren Gatten liebevoll unterstützt und gepflegt hat und immer für ihn da war. Und selbstverständlich auch seinen Kindern, von denen er bei jeder Gelegenheit einfach nur glücklich schwärmte.
Die Trauerfeier am Dienstag, 3. Dezember, wird von Mitgliedern der Philharmonie Baden-Baden musikalisch umrahmt. Beginn ist um 11 Uhr in der Evangelischen Stadtkirche Baden-Baden.